Gemeindehistorie
Flüchtlingsstadt Bayreuth
Die evangelisch-reformierte Gemeinde in Bayreuth entstand im 17. Jahrhundert als Gemeinde von hugenottischen Glaubensflüchtlingen. Durch das Edikt von Nantes von 1589 war den Hugenotten als evangelischer Minderheit im katholischen Frankreich die freie Ausübung ihres Glaubens zugesichert worden. Mit der Auflösung dieses Ediktes im Jahr 1685 setzte eine erbarmungslose Verfolgung der Hugenotten in Frankreich ein. Viele Hugenotten flohen daraufhin in die Schweiz, nach Deutschland, Holland, England oder Skandinavien. Zu den aufnahmewilligen Orten gehörte auch die Markgrafschaft Bayreuth, in der bis Ende 1686 etwa 100 hugenottische Glaubensflüchtlinge eine neue Heimat gefunden hatten. Die Flüchtlinge galten als arbeitsam und waren am Markgrafenhof und in der Stadt zumeist angesehene Kaufleute, Ärzte und Handwerker.
Anfänge der Gemeinde
Der erste Eintrag ins Protokollbuch des Presbyteriums stammt von 1687, in diesem Jahr konnte mit Jean-Antoine de la Roquette auch der erste Pfarrer für die Gemeinde gewonnen werden (zur vollständigen Pfarrerliste). Das erste eigene Bethaus konnte im März 1688 erworben werden.
Die kleine Gemeinde hatte in den Folgejahren und Jahrzehnten immer wieder um ihren Bestand und ihr Überleben zu kämpfen. Eine schwierige Frage war auch die Integration der Franzosen in Bayreuth. 1697 sind im Protokollbuch erstmals reformierte Deutsche Gemeindeglieder erwähnt. Umgekehrt hielten die Hugenotten noch lange an ihrer Sprache fest. Damals wie heute erweist sich Integration als ein fruchtbarer Prozess, der sich nicht nur über Jahre, sondern über Generationen vollzieht.
Reformierte Markgräfin
Die Situation der Gemeinde änderte sich mit der Heirat des Markgrafen Friedrichs mit Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des Großen im Jahr 1731. Wie der preußische Königshof war auch Wilhelmine reformiert, so dass in ihrem Gefolge viele Reformierte von Berlin nach Bayreuth kamen. Der reformierte Pfarrer war nunmehr Hofprediger. In dieser Zeit sollte die Gemeinde auch endlich eine ordentliche Kirche mit Turm und Glocken erhalten, wofür ein Bauplatz am Rand des Bayreuther Hofgartens (heute Ludwigstrasse) vorgesehen war. Bevor der Bau von Kirche und Pfarrhaus abgeschlossen werden konnte, brannte 1753 das alte Bayreuther Schloss ab. Das Markgrafenpaar sah sich dadurch gezwungen, möglichst schnell ein neues Schloss zu bauen. Wer heute durch das Hauptportal des Neuen Schlosses geht, steht mitten in der geplanten reformierten Kirche. Für das Neue Bayreuther Schloss sind die Grundmauern der reformierten Kirche und des anliegenden Pfarrhauses in den Schlossbau miteinbezogen worden. Erst 1781 erhielt die Gemeinde nach langem Prozess gegen den Fiskus Schadensersatz.
Das Kirchengebäude in der Erlanger Straße
Statt einer eigenen Kirche mit Turm und Glocken konnte die Gemeinde 1755 das Haus von Meyern an der Erlanger Straße erwerben, errichtet 1743 vom bedeutenden Architekten Joseph Saint-Pierre, der u.a. auch das Markgräfliche Opernhaus, das neue Schloss, die Schlosskirche und die Eremitage in Bayreuth gebaut hat. Hier befinden sich bis heute die Gemeinderäume und die Kirche der evangelisch-reformierten Gemeinde in Bayreuth.
Bis 1975 wohnte auch die Pfarrfamilie in der Erlanger Straße, seit 1985 besteht ein eigenes Pfarrhaus.
Verzicht auf die Schlosskirche
1812 wurde der Gemeinde von den herrschenden Franzosen die zum Alten Schloss gehörende Schlosskirche angeboten. Die kleine reformierte Gemeinde sah aber damals schon ab, dass der Unterhalt dieser Kirche die eigenen Mittel übersteigen würde. Diesem Verzicht verdanken letztlich die Katholiken ihre erste und bis heute zentrale Heimstatt in Bayreuth: die Schlosskirche wurde zur Mutterkirche aller römisch-katholischen Gemeinden in Bayreuth und ist heute Dekanatskirche
Ein Kirchturm aus Mistelbach
Nach dem Verzicht auf die Schlosskirche dauerte es über anderthalb Jahrhunderte bis zumindest ein anderer alter Traum verwirklicht werden konnte. Und dieses Mal war es genau umgekehrt: Die evangelisch-reformierte Gemeinde ist der römisch-katholischen in Mistelbach zum Dank verpflichtet, da diese der Gemeinde ihren alten Dachreiter vermachte, der nach sehr aufwendigen Sanierungsmaßnahmen auf den Dachstuhl in der Erlanger Straße gesetzt werden konnte. Seitdem verfügt die Gemeinde nun also doch über einen eigenen Kirchturm und die Gottesdienste der Gemeinde werden weithin hörbar durch Glockengeläut angekündigt. Im vorwiegend evangelisch-lutherischen Umfeld Bayreuths wird dies als sicht- und vor allem hörbares Zeichen dafür gesehen, dass die evangelisch-reformierte Gemeinde allen Missverständnissen zum Trotz keine Freikirche oder gar Sekte ist, sondern normaleVolkskirche mit eigener, jahrhundertealter Tradition.
Die Gemeinde in der Zeit des Nationalsozialismus
Auch mit dem Kirchengebäude in der Erlanger Straße blieb die Gemeinde klein und oftmals stand ihr Fortbestand in Frage. Einen besonderen Einschnitt stellt die Zeit des Dritten Reiches dar. Die vorhandenen Quellen für diese Zeit sind sehr knapp gehalten.
Ging man lange Zeit davon aus, dass der Bayreuther Pfarrer Robert Aign als Mitbegründer der Pfarrbruderschaft der Bekennenden Kirche, die im 3. Reich Widerstand leistete, anzusehen war (so noch in der Festschrift 300 Jahre Evangelisch-Reformierte Gemeinde zu Bayreuth, 1986, S. 52), so muss inzwischen festgestellt werden, dass hierfür keine Belege vorliegen.
Die Geschichte der Gemeinde ist 2012 vom Bayreuther Historiker Dr. Norbert Aas aufgearbeitet worden. Auch wenn die Quellen spärlich sind, ist zumindest festzustellen, dass die Gemeinde in dieser Zeit um ihr Überleben kämpfte – nicht jedoch wegen der politischen Situation, sondern vielmehr wegen ihrer geringen Größe und Bedeutung.
Nach dem Krieg
Mit dem Kriegsende konnten der Gemeinde noch 60 Gemeindeglieder zugeordnet werden, sie stand damit – wie schon vor der Zeit des Nationalsozialismus – kurz vor der Auflösung. Ein starker Zuwachs an Gemeindegliedern in der Nachkriegszeit erklärt sich u.a. auch dadurch, dass die Gemeinde – nunmehr vom einem pietistisch geprägten Pfarrer Take geleitet – ein vergleichsweise liberales Aufnahmeverfahren gegenüber den Menschen aus Bayreuth und dem Umland praktizierte, die der Kirche zur Zeit des Dritten Reiches den Rücken gekehrt hatten und die in der evangelisch-lutherischen Kirche nach nur halbjähriger Unterweisung und ohne öffentliche Beichte wieder aufgenommen wurden.
Der Bestand der Gemeinde konnte somit zunächst gerettet werden, langfristig änderte sich aber nichts an der Situation der Gemeinde. Da die Kinder der nach dem Krieg eingetretenen Gemeindeglieder zumeist wieder der evangelisch-lutherischen Kirche angehörten, überalterte die Gemeinde in den folgenden Jahrzehnten zusehends.
Die jüngere Geschichte der Gemeinde
Mit Beginn der 1970er Jahre konnte die Gemeinde neu ausgerichtet und aufgebaut werden. Ausgehend von einem vielgestaltigen kirchlichen und diakonischen Engagement seit dieser Zeit, hat die Gemeinde viel Zulauf und damit Vergrößerung und Verjüngung erfahren. Die Einrichtung des Integrativen Kindergartens und die Patenschaft mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst sind nur zwei (allerdings wichtige) Beispiele für dieses Engagement.
Heute engagieren sich in der Gemeinde Menschen allen Alters. Wie in weiten Teilen der Geschichte der Gemeinde ist das Gemeindeleben auch heute durch viele Christinnen und Christen anderer Konfessionen mitgetragen und geprägt. Die Frage der eigenen Identität als evangelisch-reformierter Gemeinde und nach den eigenen Aufgaben und Zielen stellt sich dabei immer wieder neu (getreu dem reformatorischen Grundsatz ecclesia reformata est semper ecclesia reformanda). Der Blick in die Geschichte der Gemeinde stärkt dabei die Hoffnung und das Vertrauen, dass Gott dieser Gemeinde auch in Zukunft immer wieder neu ihren Existenzgrund geben wird.